Ich mag Schluchten. Ich fühle mich beim Durchstreifen jeweils in eine andere Welt versetzt – man taucht kurz ab, und steigt dann ein paar Stunden wieder hoch in den Alltag. Ich mag auch die fotografischen Möglichkeiten, die sich einem in solchen Umgebungen bieten. Hier treffe ich auf tosende Bachläufe, die herunterfliessen und je nach Wassermenge ein anderes Bild bieten. Auch ist es reizvoll, eine Schlucht zu verschiedenen Jahreszeiten aufzusuchen. Im Frühling ist man umgeben von saftigem Grün. Im Herbst erblicke ich eine Gelb-Rote Farbenpracht und heruntergefallene Blätter, die den Weg säumen.
In diesem Herbst war ich auf Streifzug im Seeland, Waadtland und im Kanton Neuenburg, um einige fotogene Stellen aufzusuchen. Dieser Blog-Eintrag soll nun aufzeigen, wie ich vorgehe und worauf ich achte, um ein technisch und kompositorisch ansprechendes Bild zu erhalten.
Die Ankunft
Mit geschultertem Kamera-Equipment und Stativ betrete ich die «andere Welt». Bevor ich überhaupt die Kamera auspacke und starte mit Fotografieren, lasse ich die Umgebung auf mich wirken. Ich muss selber zuerst überhaupt ankommen, bevor ich mich kreativ betätigen kann. Gerade bei Orten, welche ich das erste Mal überhaupt besuche, ist mir dieser Schritt wichtig. Ich streife durch die Gegend und erkunde verschiedene Blickwinkel. In einer Schlucht ist es oft sogar sinnvoll, sofern die Zeit reicht, das Wegstück in beiden Richtungen mal zu erwandern. Die einzelnen Szenerien wirken somit ganz unterscheidlich und häufig sieht man ganz neue Möglichkeiten für eine Bildkomposition.
Habe ich mir über die Gegend einen Überblick verschafft, hole ich häufig zuerst das Smartphone aus der Hosentasche und mache damit ein paar Testbilder. Somit kann ich unkompliziert und rasch prüfen, ob sich der Aufbau meiner Ausrüstung auch lohnt. Es gibt Situationen, wo ich mit dem Auge ein gewisses Potenzial sehe, auf dem Bild die Szene dann aber flach, langweilig und nichtssagend wirkt. Hier ergibt es dann keinen Sinn, sich weiter mit dem Motiv zu beschäftigen und ich ziehe weiter. Immerhin: ich habe so stets ein paar zusätzlich Erinnerungsbilder vom Tag in der Tasche, sollte die gesamte Ausbeute klein ausfallen.
Der (technische) Aufbau
Konnte ich eine mögliche Bildkomposition ausfindig machen, kommt die Kamera ins Spiel. Ich baue das Stativ auf und prüfe einen sauberen Stand. Würde die Kamera im Wasser landen oder auf den Steinen hart aufschlagen, wäre dies äusserst ärgerlich und wohl auch für den Geldbeutel eher ungünstig. Hier gilt es, gerade in Wassernähe, vorsichtig zu arbeiten. Ich prüfe die Kameraeinstellungen und überlege gleichzeitig, ob sich der Einsatz von Filtern lohnen kann.
Ist Wasser im Spiel und Laub, setze ich gerne einen Polarisationsfilter (kurz Polfilter) ein. Diesen schraube ich auf das Filtergewinde am Objektiv und drehe ihn in die gewünschte Position. Der Polfilter hilft, Spiegelungen auf den Steinen zu entfernen und haucht den herbstlichen Farben zusätzlich Leben und Kontrast ein. Hier schiesse ich meistens mehrere Fotos und vergleiche die Ergebnisse unterschiedlicher Einstellungen. Ein Patentrezept gibt es nicht. Manchmal gefällt mir ein Foto besser, wenn der Polfilter zum Einsatz kommt, in anderen Fällen geben (leichte) Spiegelungen das gewisse Etwas. Ausprobieren, heisst hier die Devise.
Neben dem Polfilter setze ich gerne auf Graufilter (auch Neutraldichtefilter (ND) genannt). Diese wirken, am Objektiv angebracht, wie eine Sonnenbrille. Dem Kamerasensor wird vorgegaukelt, dass es dunkler ist, und er somit mehr Licht für ein korrektes belichtetes Bild durchlassen muss. Ich kann hier also eine längere Verschlusszeit einsetzen, was zum oft gesehenen seidigen Wasser führt. Auch hier gilt es, mit unterschiedlichen Einstellungen herumzuspielen. Ich persönlich mag es, wenn im Wasser noch etwas Struktur vorhanden ist und nicht alles komplett seidenglatt wird. Ich belichte also oft nicht mehr als eine halbe Sekunde. Wie alles im Leben, ist dies auch hier Geschmackssache.
Die Bildkomposition und das Auslösen
Nach der Einstellung der Technik kommt nun der nicht minder wichtige Punkt: ein schöner, spannender und ausgewogener Bildaufbau soll her. Hier lasse ich mir gerne viel Zeit und taste mich ans Optimum heran. Selten ist das erste Foto gleich jenes, welche ich dann bearbeite und veröffentliche. Die Sache ist eher ein Prozess und eine schrittnähe Annäherung ans «fotografische Glück».
In der Fotografie ist die Tatsache, dass ich eine reale 3D-Welt auf ein zweidimensionales Bild herunterbrechen muss, eine Herausforderung. Ich spiele gerne mit Vordergründen und baue diese ins Bild mit ein. Diese verleihen eine gewisse Tiefe und unterstützen im optimalen Fall das Hauptmotiv des Bildes – gerade, wenn man Weitwinkel-Objektive einsetzt. Ganz nach dem Motto: «Vordergrund macht Bild gesund».
Auch gehe ich sprichwörtlich auf «Patrouille». Ich schaue mir den Bildaufbau genau an: ragen störende Äste ins Bild? Habe ich zu viel oder zu wenig Vordergrund im Bild? Ist der Blickwinkel stimmig? Ist das Bild ruhig, das Motiv klar und sagt es im Gesamten etwas aus? … Ich experimentiere auch immer mit der Höheneinstellung meines Stativs. Vielfach wirkt das Bild um einiges dramatischer und aussagekräftiger, wenn ich auf Kniehöhe (oder noch tiefer) fotografiere. Ich stelle die Stativbeine gerne auch mal ins Wasser und fotografiere nahe der Oberfläche.
Desweiteren wechsle ich zwischen Quer- und Hochformat hin und her, um eine andere Wirkung zu erzielen – oder ich zoome mit dem Objektiv etwas weiter hinein und komprimiere die Szene. Ich suche nach führenden Linien, die zum Wasserfall führen und schaue mir die Bildgestaltung bei jeder Änderung immer wieder von Neuem an.
Fotografieren ist ja «Malen mit Licht». Ohne Licht geht nichts. Somit darf ich auch diesen Faktor nicht ignorieren. Ich beobachte das Wetter. Ziehen Wolken vorbei? Bleibt es wohl den ganzen Tag bedeckt, oder gibt es Lücken? Wird sich die Sonne zu einem Vorteil mausern oder eher störende Reflexionen ins Bild bringen?
Ich versuche, möglichst viele verschiedene Variationen meiner Aufnahmen mit nach Hause zu bringen. Vor Ort auf der Kamera lösche ich keine Bilder. Das kleine Kamera-Display gibt mir zwar eine erste Einschätzung, ob das Bild scharf und sauber belichtet wurde; die Ganze Wahrheit kommt allerdings erst ans Tageslicht, wenn ich die Fotos am grossen Monitor zu Hause betrachte und sortiere. Dank der Digital-Technik kosten mich «zu viele» gemachte Aufnahmen ja keinen müden Rappen.
Das Fazit
Übung macht den Meister! Nach jedem Foto-Shooting (sei es draussen oder drinnen) lernt man Neues dazu. Das Auge wird geschärft und der Blick geschult. Auch durch gemachte Fehler sollte man sich nicht entmutigen lassen. Beim nächsten Mal macht man es einfach besser. Es kommt vor, dass man ohne brauchbares Bild nach Hause kommt. Früher habe ich mich über solche ergebnislosen Ausflüge geärgert. Heute bin ich diesbezüglich ruhiger und dankbarer geworden. Jeder Ausflug in der Natur tut gut – und ist auch ohne Foto Balsam für die Seele und wirkt sich dank der Bewegung positiv auf den ganzen Körper aus. Umso mehr freut man sich dann darüber, wenn wieder eine gelungene Aufnahme auf den Kamerasensor gebannt wird.