Bärlauch soll man ja sammeln und geniessen, wenn er noch nicht blüht – dann ist der Geschmack am intensivsten. Das genaue Gegenteil ist der Fall, wenn man die kulinarische Seite aussen vor lässt und sich mit der Kamera auf Achse macht. Hier ist die geschmackvollste Zeit dann erreicht, wenn die Blüten sich in voller Pracht befinden. Ein Aroma, welches sich dann auf die Fotos überträgt.
Die Bildidee von blühendem Bärlauch schwirrte mir schon länger im Kopf rum. Der «weisse Teppich», kombiniert mit einem ansprechenden Waldstück, faszinierte mich unlängst auf Bildern. Im Seeland stiess ich im April auf einen Ort, in der solche Gegebenheiten vorherrschen würden – bei erreichter Blütezeit. Ich machte mich im Mai also auf, den Ort nochmals zu besuchen. Bereits beim Eintreten in den Wald stiess mir der intensive Duft des Frühlingsboten in die Nase. Dieser sollte mich die nächsten Stunden begleiten – und sich auch in den Kleidern und Schuhen festsetzen – da ich doch energisch durch die Gegend streifte. Ich zehrte die nächsten Tage zu Hause also noch vom Geruch. Und wenn ich heute die Bilder betrachte, lösen diese den selben Effekt in Gedanken wieder aus.
Vor Ort ist es gar nicht so einfach, einen richtigen Blickwinkel zu finden und «Ruhe ins Chaos» zu bringen. Mal ragen zu viele Äste ins Bild und stören, mal breitet sich der Lauch am falschen Ort aus und wächst in die falsche Richtung. Und oft gibt es Bilder, die nichtsaussagend sind, wo der gewisse «Kick» fehlt – und mich kopfschüttelnd und ratlos dastehen lassen. Ein schwieriges Unterfangen also, die schöne, sich vor mir ausbreitende Natur auf den Kamerachip zu brennen.
Ich nehme mir aber bewusst Zeit und geniesse die Ruhe und den Abstand vom Alltag. Eine Art «meditativer Zustand» stellt sich ein, in dem man an nichts anderes mehr denkt und innerlich entspannt. Der Fokus ist nur auf die Gegenwart gerichtet. Genau dieser Umstand ist es, den ich an der Fotografie so liebe. Keine Ablenkung, keine Termine, die Sinne sind geschärft. Und so sollen doch ein paar ansehnliche Bilder entstehen.
Mitte Mai besuchen wir einen anderen «weissen Teppich». Auf den Höhen von Montreux, im Waadtland, blühen die Narzissen! Verschiedene Wanderrouten führen durch die Wiesen. Ein «Liveticker» (narcisses.com) gibt sogar Auskunft über den aktuellen Blütestatus der Blumen – und listet Tipps zum Verhalten auf. Wir planen, in der Gegend zu übernachten. Gegen Abend kunden wir die Gegend aus – wollen wir doch am nächsten Morgen im ersten Licht fotografieren. Früh müssen wir aus den Federn und so ist es doch von Vorteil, sich bereits 1-2 Orte auf dem abendlichen Rundgang zu merken, welche man dann ansteuern will. Demnach verbringt man in der kurzen Zeitspanne des Sonnenaufgangs nicht noch unnötig Zeit, eine Perspektive zu finden. Ich kläre auch ab, in welcher Richtung die Sonne aufgeht. Landschaftsfotografie ist zu einem grossen Teil eben auch vorausschauende Planung.
Am frühen Morgen schultern wir die Rucksäcke und machen uns auf die kurze Wanderung. Einzelne Wolken zeigen sich am Himmel, die Stimmung scheint vielversprechend zu werden. Wir müssen einen Zahn zulegen, die Landschaft färbt sich während des Fussmarsches schon in morgendlichen Rot-Tönen.
Die Bezeichnung «Narzisse» entstammt ja der griechischen Mythologie. Narziss war ein griechischer Held und so schön, dass sich alle Dryaden und Waldnymphen in ihn verliebten. Und so präsentiert sich der heutige Morgen. Der vor uns liegende Wiesenabschnitt erinnert beinahe an ein schneebedecktes Feld.
Die Anzahl Narzissen ist gigantisch. Und zudem gesellt sich ein schöner Sonnenaufgang mit warmen Farben. Wir sind gerade auch etwas verliebt – der Dank gebührt dir, liebster Narziss!